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DiMiMED – „Blut ist menschlicher Treibstoff“

„Wir können die nächste Krise nicht vorhersagen, aber wir können uns auf ein neues Jahrzehnt vorbereiten“, stellte Brigadegeneral a. D. Dr. Erwin Dhondt, der ehemaliger Generaldirektor für Gesundheit und Wohlbefinden der belgischen Streitkräfte, in Koblenz fest. Das Thema der diesjährigen 13. DiMiMED Conference war mit „Anticipating the Unknown – Preparing for the Future“ gut gewählt. Unter dieser Überschrift diskutierten diese Woche rund 200 Teilnehmende aus 24 Ländern über aktuelle Entwicklungen der Katastrophen- und Militärmedizin.

Die 13. DiMiMED Konferenz fand erstmals in Koblenz statt.
Die 13. DiMiMED Konferenz fand erstmals in Koblenz statt.
Foto: CPM / Sascha Schuermann

Schauen Sie sich die Welt um uns herum an“, forderte Brigadegeneral a. D. Dhondt die Teilnehmenden der diesjährigen DiMiMED auf. „In der Ukraine arbeiten Ärzte unter unerbittlichen Raketenangriffen, führen Operationen in Kellern durch, während Krankenhäuser keinen Strom mehr haben. In Gaza gibt es so viele militärische und zivile Opfer, dass jede medizinische Handlung auch eine ethische Entscheidung ist.“

Herausforderungen für die Militärmedizin, die aus bisherigen Szenarien so nicht bekannt sind. Worauf müssen sich die westlichen Streitkräfte also einstellen? In welche Richtung sollen sie ihr Personal ausbilden; welches Material beschaffen? Diese Fragen werden derzeit in Koblenz diskutiert. Als Beispiel dient – wie so oft – die Ukraine.

„Wir können nicht jeden Angriff verhindern“, stellte Brigadegeneral a. D. Dhondt nüchtern fest, „aber wir können Systeme entwickeln, die Vorteile bieten, sich anpassen und Kontrolle ermöglichen. Und wir können uns nicht ständig auf Doktrinen verlassen, die für die Kriege und Katastrophen von gestern geschrieben wurden, denn es geht um Menschenleben.“

Bisherige Erfahrungen der Militärmedizin heute überholt

„Wir haben dieses Land mit medizinischen Evakuierungskapazitäten praktisch überschwemmt“, erinnerte Prof. Dr. Andre Cap, MD, PHhD an die bisherigen Erfahrungen in Afghanistan und auch Irak. Der ehemalige Oberst der US-Streitkräfte hielt die Medical Keynote auf der DiMiMED zu Beginn des ersten Veranstaltungstages

Sorgte für eine passende Einstimmung auf der DiMiMED: Brigadegeneral a. D. Dr. Erwin Dhondt.
Sorgte für eine passende Einstimmung auf der DiMiMED: Brigadegeneral a. D. Dr. Erwin Dhondt.
Foto: CPM / Sascha Schuermann

Darin rekapitulierte er zunächst die Erfahrungen im Nahen und Mittleren Osten, bei denen sich an der 10-1-2-Regel orientiert wurde. Verwundete sollten innerhalb von 10 Minuten durch Kameraden im Gefecht, dann innerhalb der ersten Stunde durch Sanitäter und innerhalb zwei Stunden in einer medizinischen Einrichtung evakuiert werden. Durch die flächendeckende Verfügbarkeit von Hubschraubern konnten diese Zeitansätze der Verwundenden-Evakuierung deutlich unterboten werden.

Dies hatte zur Folge, dass enorme Ressourcen in den Kriegen des Nahen und Mittleren Ostens aufgewandt werden mussten. Ressourcen, die in der Ukraine – dem großen Schlachtfeld unserer Zeit – nicht zur Verfügung stehen. Erfahrungen aus Afghanistan und dem Irak lassen sich nur bedingt oder gar nicht für die Ukraine anwenden.

In Afghanistan mussten die US-Soldaten mit Opferzahlen von 10 pro Tag umgehen – in der Ukraine sind es 1.000. In Afghanistan wurden Helikopter für MEDEVAC eingesetzt – in der Ukraine ist dies durch die Drohnenbedrohung nicht machbar.

Blut – menschlicher Treibstoff

„Generell geht es darum, dass man dem Patienten so schnell wie möglich wieder Blut zuführen muss“, sagte Oberst a. D. Dr. Cap auf der DiMiMED über den Schlüssel zu einer erfolgreichen Rettung von verwundeten Soldatinnen und Soldaten. Bei der Behandlung der meisten Fälle militärischer Verwundungen kommen daher Blutkonserven zum Einsatz.

Oberst a. D. Prof. Dr. Andre Cap, MD, PHhD. hielt die MEdical Keynote über die Versorgung mit Blutkonserven im Feld.
Oberst a. D. Prof. Dr. Andre Cap, MD, PHhD. hielt die MEdical Keynote über die Versorgung mit Blutkonserven im Feld.
Foto: CPM / Sascha Schuermann

Blut, so Dr. Cap, sei der entscheidende menschliche Treibstoff. Wie beim Diesel müssten die Streitkräfte dafür sorgen, dass auch für Blut die Logistikkette an die Frontlinie steht. Für den Transport durch Menschen ist die Bewegung an der ukrainischen Front heute zu gefährlich, sodass Blutkonserven via Drohne bis in den Schützengraben geliefert werden.

Im Krieg reichen Ärzte nicht aus, ist Cap überzeugt. „Wir sind nicht bereit für einen großen Konflikt oder eine große Katastrophe“, stellte Oberst a. D. Dr. Cap ernüchtert fest. Die USA hätten seit dem 2. Weltkrieg verstanden, dass es auf dem Gefechtsfeld auf Combat Medics ankommt – Soldaten, die über eine erweiterte medizinische Zusatzausbildung für die Erstversorgung von Verwundeten im Einsatz verfügen.

Diese müssten in den anderen Streitkräften dringen ausgebildet werden, um hohe Verwundetenzahlen überhaupt handhaben zu können. Die Ukraine habe genau das verstanden und sehr schnell umgesetzt.

Impression der 13. DiMiMED Conference in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Foto: CPM/ Sascha Schuermann
Impression der 13. DiMiMED Conference in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz.
Foto: CPM / Sascha Schuermann

Zudem könnten sich Bürokratie und juristische Hürden in den europäischen Staaten im Ernstfall tödlich auswirken. Während in der Ukraine Gesetze im Krieg geändert wurden, damit Soldaten an der Front Bluttransfusionen durchführen können, könnte es in der NATO bereits zum juristischen Problem werden, wenn US-Soldaten an der Ostflanke verletzt werden und in Belgien mit deutschen Blutkonserven versorgt werden sollen.

Es sei, so ist Dr. Cap überzeugt, von enormer Bedeutung, schon jetzt die regulatorischen Weichen zu stellen.

Book Release auf der DiMiMED: Handbook of Military Medicine

Sein Appell dürfte im Publikum der DiMiMED auf Zustimmung stoßen – inwiefern er allerdings den Gesetzgeber erreicht, ist fraglich. Für die Konferenz machte Dr. Caps Vortrag jedenfalls deutlich, in wie viele Richtungen in der Militärmedizin gedacht wird, gedacht werden muss.

Vorstellung des im CPM Verlag erschienenen "Handbook of Military Medicine for the Battlefield" auf der DiMiMED durch die Autoren (v. l. n. r.): Aleksandar Smiljanic, Brigadegeneral a. D. Dr. Joachim Hoitz und Generalleutnant a. D. Prof. Martin Bricknell.
Vorstellung des im CPM Verlag erschienenen "Handbook of Military Medicine for the Battlefield" auf der DiMiMED durch die Autoren (v. l. n. r.): Aleksandar Smiljanic, Brigadegeneral a. D. Dr. Joachim Hoitz und Generalleutnant a. D. Prof. Martin Bricknell.
Foto: CPM / Sascha Schuermann

Eine Stütze soll das heute veröffentlichte „Handbook of Military Medicine for the Battlefield“ sein, welches heute Morgen in Koblenz vorgestellt wurde. „Wir hoffen, dass wir ein europäisches Äquivalent für das amerikanische ‚Fundamentals of Military Medicine‘ geschaffen haben“, stellte Generalleutnant a. D. Prof. Martin Bricknell die Grundidee des Buches vor.

Das amerikanische Werk von 2019 sei ein gutes Nachschlagewerk; für ein Handbuch allerdings zu umfangreich. Zudem liege der Fokus des Buches zu sehr auf den Vereinigten Staaten.

Prof. Bricknell verantwortet das im CPM Verlag erschienene Buch gemeinsam mit Brigadegeneral a. D. Dr. Joachim Hoitz und Aleksandar Smiljanic. Ein weites Spektrum von Autorinnen und Autoren aus 12 Ländern haben Inhalte für das Buch beigesteuert.

„Ich denke, es ist eine schnelle Möglichkeit nachzuschlagen, was die anderen auf dem Gebiet der Militärmedizin machen“, zeigte sich Brigadegeneral a. D. Dr. Hoitz überzeugt.

CPM – Militärmedizin im Blick

Auch der CPM Verlag selbst schärft seinen Fokus auf die Militärmedizin. Neben der Publikation des Buches und der Veranstaltung DiMiMED als internationaler Fachkonferenz ging gestern auch die neue Website military-medicine.com online.

Das neue Portal soll die bisherigen Anlaufstellen Wehrmedizin (Deutsch) und Military Medicine (Englisch) im neuen Design vereinen. Die Plattform soll zweisprachig angeboten werden.

Die DiMiMED 2025 zeigt bereits in den ersten Stunden, wie schnell sich die Rahmenbedingungen für Militär- und Katastrophenmedizin durch den Krieg in der Ukraine verändern.

Bewährte Konzepte aus früheren Konflikten reichen nicht mehr aus, um den heutigen Herausforderungen zu begegnen. Nur durch internationale Zusammenarbeit, innovative Ausbildungswege und den Mut zu regulatorischen Reformen kann die Militärmedizin zukunftsfähig bleiben.

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